Ausschreibung im Anzug = Niedriglohn in Uniform!
DB Regio in der Ausschreibungsmühle
Über jeder kleinen Schraube, jeder Minute Arbeitszeit schwebt das Schwert des Wettbewerbs. Bei jeder Gelegenheit wird gesagt: „Wir wollen eure Löhne nicht kürzen“. ... „Meint ihr, uns macht es Spaß, immer mehr aus den Schichten rauszuquetschen?“ ... „Die Wettbewerber schlafen nicht! ... Wir müssen besser werden, um in diesem harten Kampf bestehen zu können!“ ... „Der Bessere wird gewinnen!“ Wer kämpft hier gegen wen? Wer hat denn bisher immer gewonnen?
Für die Ausschreibung müssen meist neue Züge beschafft werden. Dann ist das Gejammer immer groß. Alles sei so teuer. Die Politik zwinge die Firmen zu unmöglich hohen Investitionen. Das gehe nur wenn sich Personal in den Werkstätten, Rangierpersonale auf den Bahnhöfen einsparen lässt. Zugbegleiter werden zu Servicekräften, weil der Lokführer alles ganz bequem übernehmen könne. Schwupps sind ein paar Lohngruppen flöten gegangen. Inzwischen schufften bei Regio Zugbegleiter für 8,50€ auf den Zügen.
Im Frühjahr 2009 hatte Regio die Strecke Wismar-Rostock-Tessin gewonnen. Den Betrieb gab die DB jedoch an die RSAG (Rostocker-Straßenbahn AG) als Subunternehmen weiter. Sämtliche Fahrzeuge und die Wartung blieben bei der DB. Kollegen, die aus familiären oder sonstigen Gründen vor Ort blieben und zur RSAG wechseln mussten, hatten Gehaltseinbußen von 35 Prozent!
Im Dezember 2011 hat die RSAG die Strecke nach Graal-Müritz von der DB übernommen. Diesmal ganz ohne Ausschreibung!
Im Schienenbereich sind bei der DB seit 1994 ca. 165.000 Jobs auf der Strecke geblieben. Die tatsächliche Richtgröße ist die »Wertschöpfung je Vollzeitperson«. Je weniger Vollzeitpersonen, desto besser. Mit einer erheblich gesteigerten Arbeitsintensität wurde die Wertschöpfung mehr als verdoppelt. Der Umsatz je Beschäftigten stieg auf das Dreifache. Der Gewinn von Regio betrug 2010 729.000.000 Euro.
Regio-Chef Frank Sennhenn nannte Großbritannien, wo das Zugfahren seit den 90er-Jahren sehr viel teurer geworden ist, als Vorbild: "In fünf Jahren werden wir in Deutschland einen ähnlichen Nahverkehrsmarkt haben, wie er heute in England existiert."
Die Länder bekommen immer mehr Probleme, Betreiber für die Strecken zu finden. Bisher hatte Regio an fast jeder Streckenausschreibung teilgenommen. "Ich würde keine Wette eingehen, dass das 2010 und in den Folgejahren so bleibt." so Sennhenn. Die Unternehmen meinen, es liege an den bisherigen Bruttoverträgen. Hierbei wird der Betrieb vom Besteller komplett bezahlt. Dafür darf der Besteller die Takte und Beschaffenheit der Fahrzeuge bestimmen. Die Ein-nahmen müssen an den Verkehrsverbund abgeliefert
werden.
Sennhenn sagt zu den Bruttoverträgen: "Damit haben sie systematisch unternehmerische Gestaltungsmög-lichkeiten unterbunden und die Wertschöpfungstiefe reduziert."
Bei Nettoverträgen würden die Verkehrsverbünde weniger Zuschüsse zahlen. Dafür kassiert das Unternehmen die Fahrgeldeinnahmen direkt ab. Damit entstünden „Anreize“, die Kundenzahl und damit die Ticketerlöse zu steigern. Auch über die Taktdichte und die Zuglängen könnten die Unternehmen dann „freier“ entscheiden. Wenn es sich nicht lohnt, könnte auch ein Bus fahren. Dies sei, „im Regionalverkehr die einzige Chance auf Wachstum.“ so Sennhenn. VDV - Geschäftsführer Oliver Wolff sagt: „Es ist sehr anstrengend, im Schienenpersonennahverkehr Geld zu verdienen“. Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr Wewers stimmt mit ein: „Es muss wieder mehr Spaß machen, und Geld zu verdienen sein. Dann gerät auch der Wettbewerb wieder in Fahrt.“
Bei den Privaten klappt alles besser...?
Den „Privatbahnen“ liegen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter natürlich auch ganz besonders am Herzen. Ein Benex-Chef: "Einheitliche Löhne auf DB-Niveau wird es mit uns nicht geben." ... „Wettbewerb setzt regional unterschiedliche Löhne voraus, ...“ Ganz genau!!!
agillis war überzeugt, nach der gewonnenen Ausschreibung beim Personalpoker zwei Asse im Ärmel zu haben. Erstens: "Wenn es soweit ist, dass wir die Strecken befahren, rennen uns die Lokführer von Regio die Türen ein“. Zweitens: osteuropäische Arbeitnehmer werden nach Aufhebung der EU-Arbeitsbeschränkungen als Billigkräfte massenweise zur agilis strömen. Sind die Lohnunterschiede aber für den Wettbewerb zu gering, wird gern in den Nachbarländern gewildert.
Als die ODEG den Zuschlag für die RE-Linien 2 und 4 bekam tönten die Chefs: Dies sei eine „... klare Bestätigung der Servicequalität, welche die ODEG in Ostdeutschland bietet“, man freue sich „... auf die spannende Aufgabe“ und werde diese „... mit viel Ehrgeiz umsetzen“
Geld verdienen
Dass der DB Konzern die S-Bahn so an die Wand gefahren hat, war kein Unfall oder ein Management-fehler. Das Chaos ist eine Folge des Privatisierungspro-zesses. Statt alles rückgängig zu machen, wird jedoch der Prozess vorangetrieben. – nur unter neuen Bedingungen. In Zukunft kauft der Senat die Züge oder übernimmt die Kredite. Außerdem muss die Belegschaft aufgeteilt werden, um euch gegeneinander in Konkurrenz zu setzen.
Nur so lässt sich wieder ordentlich „Geld verdienen! „Die Besseren“, die Gewinner in diesem System
des Wettbewerbs, sind die Unternehmer, Aktionäre und Banken. Zehn Prozent reichsten Deutschen be-sitzen ein Privatvermögen von ungefähr 5.160.000.000.000€! (Quelle: DIW und Finanzministerium 2012) Davon könnte die S-Bahn unter den heutigen Lohn- und Arbeitsbedingungen ca. 20.640 Jahre fahren!
Die Hohenzollersche Landesbahn (HzL) betreibt einen Ringzug. Weil der HzL Lokführer fehlen, fallen viele Ringzüge aus. Der HzL-Vorstandsvorsitzende grübelt: „Vielleicht hätten die Abtrünnigen einfach keine Lust mehr „im Ring zu fahren“. Wäre es nicht an der Zeit, diesen Kreislauf zu durchbrechen?
Kein Problem wird sich durch die Ausschreibung der S-Bahn lösen lassen!
Viele Grüße von uns bereits ausgeschriebenen Kollegen im Regionalverkehr
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